RöKo 2021 – Haftungsrisiken in der Radiologie: Fragen und Antworten

RöKo 2021 – Haftungsrisiken in der Radiologie: Fragen und Antworten

Grundsätze für die angemessene und rechtssichere Aufklärung von Patientinnen und Patienten in der Radiologie. (Die Zusammenfassung dieser Veranstaltung stellt in keinem Fall eine Rechtsberatung dar. Im Einzelfall ist stets eine Rechtsberatung einzuholen.)

  • Präsentationstag:
    25.09.2021 7 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Tonja Gaibler, München
  • Quelle:
    RöKo 2021

Fragen zur Aufklärung von Patientinnen und Patienten vor radiologischen Untersuchungen und Eingriffen standen im Mittelpunkt einer anderthalbstündigen Session mit Tonja Gaibler. Die Fachanwältin für Medizinrecht aus München beantwortete Fragen der RöKo-Zuhörerschaft.

Die Zusammenfassung dieser Veranstaltung stellt in keinem Fall eine Rechtsberatung dar. Im Einzelfall ist stets eine Rechtsberatung einzuholen.

Darf ein Orthopäde über Kontrastmittel aufklären?
Erst einmal ja, denn er ist ja Arzt. Aber er oder sie muss dazu auch die nötigen Kenntnisse haben. Wenn man sich intern darauf einigt, dass die Kontrastmittel-Aufklärung für bestimmte Untersuchungen immer der Orthopäde macht, dann ist das machbar. Der Prozess muss nur gut und nachvollziehbar organisiert werden.

Wenn die ärztliche Aufklärung an einen PJ-ler delegiert wird, ist der dann mit in Haftung?
Eindeutig ja. Grundsätzlich kann jeder, der etwas falsch macht, haftbar gemacht werden. In einem Fall, in dem die Radiologin ihre MTRA mit der Patientenaufklärung beauftragte, wurden beide verurteilt: Die Radiologin zu einer Geldstrafe von 5.000 EUR und die MTRA zu 2.000 EUR.

Muss ich als Facharzt mich meinem Chefarzt/Chefärztin widersetzen, wenn er/sie meint, dass auch nicht-ärztliches Personal über Kontrastmittel aufklären darf?
Wenn bestimmte Standards festgelegt sind, darf man sich auf die Kompetenz des Höheren berufen. Wenn aber im angenommenen Fall die Kontrastmittel-Aufklärung etwa durch eine MTRA durchgeführt würde, könnten im Fall eines Prozesses alle drei große Probleme bekommen: Chefarzt/-ärztin, Facharzt/-ärztin und MTRA.

Im Zweifelsfall muss man bereit sein, auch arbeitsrechtliche Nachteile in Kauf zu nehmen und das für richtig Gehaltene auch gegen den eigenen Chef/Chefin zu vertreten.

Darf ich mich weigern, eine auf mich delegierte Aufklärung durchzuführen?
Voraussetzung für ein delegiertes Handeln ist immer, dass derjenige sich die ihm zugewiesene Aufgabe auch zutraut und damit einverstanden ist.

Darf ich die Patientenaufklärung delegieren, wenn ich sie zu einem ‚Informationsgespräch’ erkläre?
Nein. Es bleibt ein Aufklärungsgespräch, wenn es darin das Wesentliche geht, das dem Patienten vermittelt werden muss.

Ein/e PatientIn kann auf die Aufklärung verzichten. Im Einzelfall ist das kein Problem. Es darf aber nicht der Regelfall werden. Den Verzicht auf das Aufklärungsgespräch sollte man sich mit Datum unterschreiben lassen.

Wenn er/sie auch das verweigert, muss der Verzicht ärztlicherseits dokumentiert werden. Dafür gibt es keine Formvorschrift, man muss es im Zweifelsfall nur beweisen können. Der entsprechende Vermerk kann zum Beispiel lauten: „PatientIn xy wünscht keine Aufklärung und willigt in die Untersuchung / den Eingriff ein.“ Mit Datum unterzeichnen und der zu untersuchenden Person eine Kopie aushändigen.

Zum Ort der Patientenaufklärung gibt es keine definierten Angemessenheitskriterien. Aber: Sollte sie per Videosprechstunde erfolgen, darf das nicht vom Home-Office aus gemacht werden.

Auf dem CT-Tisch oder auf dem Weg in den OP darf die Aufklärung nicht erfolgen, weil dann kein freies Entscheiden mehr möglich ist. (Wer noch Straßenschuhe anhat, der kann gehen. Im Flügelhemd kann man das nicht mehr.)

Aufgabe des/der RadiologIn ist es, den Laien wissend zu machen. Bei wiederkehrenden Untersuchungen in relativ kurzen zeitlichen Intervallen kann man auf die immer gleiche Aufklärung verzichten. Zwei Jahre wären aber entschieden zu lang. Zu beachten ist auch, ob das Risiko einer Untersuchung sich geändert hat. Falls es sich unterscheidet gegenüber den vorangegangenen Aufklärungsgesprächen, muss darauf hingewiesen werden.

Wann und wie weitgehend man Minderjährige in die Aufklärung mit einbezieht, hängt von ihrer Einsichtsfähigkeit ab. Alles unter dem 14. Lebensjahr gilt als „nicht einsichtsfähig“. Einige ÄrztInnen orientieren sich streng nur am 18. Lebensjahr – nur wer das vollendet hat, gilt für sie auch als einsichtsfähig.

Auch wer noch nicht als einsichtsfähig gilt, kann trotzdem selbst Einspruch erheben gegen eine Untersuchung. Daher ist es sinnvoll, Jugendliche auch mit unterschreiben zu lassen.

Genügen Aufklärung und Zustimmung eines Elternteils?

  • Bei einfachen Eingriffen genügen Aufklärung und Zustimmung eines Elternteils
  • Bei mittelgroßen Eingriffen mit einem gewissen Risiko sollte nach dem zweiten Elternteil gefragt und er/sie einbezogen werden
  • Bei Eingriffen mit hohem Risiko muss Gewissheit herrschen, ob der aufzuklärende und dann zustimmende Elternteil auch der oder die Richtige ist und wie das Sorgerecht ggf. aufgeteilt ist.

Nicht für jeden Betreuten gilt, dass er/sie damit auch nicht einsichtsfähig wäre. Daher gilt auch wenn jemand unter Betreuung steht: Erste/r AnsprechpartnerIn ist immer der Patient / die Patientin. Gleichzeitig gilt es nachzuforschen, warum er/sie betreut wird.

Wer die zu vermittelnden Sachverhalte des Aufklärungsgesprächs nicht begreift, kann auch nicht einwilligen. Dann ist das Einsetzen einer Betreuung unverzichtbar.

Einwand Günter Layer (Klinikum Ludwigshafen): Darauf können wir aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehrere Tage warten. Dafür kommt dieses Szenario zu häufig vor – auch jenseits der Notfallaufnahme, mit ganz normaler Überweisung vom Hausarzt.

Jedes Krankenhaus sollte gute Kontakte zum Betreuungsgericht haben. Dann lässt sich eine Betreuung sehr schnell einrichten. Grundsätzlich dürfen keine PatientInnen behandelt werden, von denen keine Einwilligung vorliegt. Angehörige können an ihrer Stelle einwilligen, sofern sie eine Patientenvollmacht besitzen.

Reicht bei Betreuten eine telefonische Genehmigung durch BetreuerIn?
Telefon ist ein guter Weg. Wichtig ist, dass miteinander gesprochen wird. Den Aufklärungsbogen faxen und unterschrieben zurückschicken zu lassen ist möglich, ersetzt aber kein Gespräch. Wenn ein Betreuer nur sagt, „Macht mal, Ihr werdet schon wissen, was Ihr tut“, wird er seiner Pflicht nicht gerecht.

Für die Einwilligung zur Untersuchung muss es möglich sein, sich auch mit fremdsprachigen PatientInnen zu verständigen. Ein vereidigter Dolmetscher ist dafür nicht erforderlich.

Die Kinder des Patienten / der Patientin sind keine geeigneten Sprachmittler, denn sie neigen dazu, ihre Eltern vor heiklen oder bedrohlichen Informationen zu schützen. Auch andere Angehörige sind nach Möglichkeit als Sprachmittler zu vermeiden, denn sie dürften im Prozessfall für die Gegenseite auftreten.

Angestellte aus anderen Bereichen eines Krankenhauses können unter Umständen geeignete Sprachmittler sein. Das trifft zum Beispiel auch auf Reinigungspersonal zu. Bei komplexen Eingriffen und Risiken kann das allerdings problematisch sein. Die fremdsprachigen Übersetzungen müssen auf jeden Fall plausibel erscheinen: Wird eine 30-sekündige Erklärung in nur einem Satz zusammengefasst, sind Zweifel angebracht.

Krankenhäuser sollten eine Liste mit geeigneten Sprachmittlern führen.

Bei Schwangeren ist es besonders wichtig, Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen. Dafür kann eine vorherige Konsensbildung sinnvoll sein.

Empfehlung Günter Layer (Klinikum Ludwigshafen): Ziehen Sie bei Schwangeren Ihren Medizinphysik-Experten hinzu.

Darf ich mich auf schwerwiegende Nebenwirkungen beschränken?
Nein. Es kommt darauf an, über spezifische Nebenwirkungen zu informieren. Das sind solche, die für eine/n PatientIn überraschend sind, mit denen er/sie also nicht rechnet. Dabei müssen die potenziellen Nebenwirkungen eine gewisse Bagatellschwelle überschreiten. Auf die Häufigkeit der möglichen Nebenwirkungen kommt es dabei nicht an.

Aufklärung zu Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln ist zeitintensiv – muss sie sein?
Wenn ernsthafte Stimmen in der Medizin gewichtige Warnungen ausgesprochen haben, dann muss darüber aufgeklärt werden. Wenn man über ein potenzielles Risiko keine verlässlichen Aussagen machen kann, weil noch keine sicheren Daten oder Aussagen dazu vorliegen, dann muss dieses Fragezeichen mit vermittelt und entsprechend dokumentiert werden.

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