RöKo 2022 – Neues aus der diagnostischen MS-Bildgebung

RöKo 2022 – Neues aus der diagnostischen MS-Bildgebung

Die überarbeitete Fassung der Leitlinien zur Rolle der MRT bei PatientInnen mit Multipler Sklerose überträgt neueste Forschungsergebnisse in die klinische Praxis.

  • Präsentationstag:
    26.05.2022 0 Kommentare
  • Autor:
    biho/ktg
  • Sprecher:
    Benedikt Wiestler, TU München
  • Quelle:
    RöKo 2022

Die in 2021 veröffentlichten Konsensempfehlungen vereinen erstmals die Ergebnisse der drei Fachgesellschaften MAGNIMS (Magnetic Resonance Imaging in Multiple Sclerosis), CMSC (Consortium of Multiple Sclerosis Centers) und NAIMS (North American Imaging in Multiple Sclerosis Cooperative) (Wattjes et al. 2021).

„Wir möchten Patienten möglichst frühzeitig diagnostizieren. Wir möchten nicht warten, bis sie zwei Schübe gehabt haben“, beschreibt Benedikt Wiestler, TU München, den Hintergrund der Überarbeitung. Beim RöKo 2022 diskutierte er die empfohlenen MR-Sequenzen zur Primärdiagnostik der MS. Schon die Revision der diagnoserelevanten McDonald-Kriterien 2017 betont die Notwendigkeit einer standardisierten MRT-Untersuchung und Befundung. Die neuen Konsensempfehlungen präzisieren die Sequenzen.

Das standardisierte MRT-Protokoll

Gehirn-Bildgebung

Folgende Sequenzen sind für die MS-Diagnose unerlässlich:

  • Axiale T2-gewichtete 2D-TSE oder -FSE
  • Sagittale 3D T2-gewichtete FLAIR
  • Axiale oder 3D sagittale T1-gewichtete Sequenz nach Kontrastmittelgabe

Die 3D-FLAIR-Bildgebung ist der 2D-Bildgebung vorzuziehen. Sie verbessert die Detektion der Läsionen und erleichtert die anatomische Re-Orientierung zur Detektion neuer Läsionen in seriellen Aufnahmen.

Sagittale Schnitte sollten ≤3 mm ohne Schichtlücke sein; für axiale Schnitte sollten es ≤5 mm sein.

In den neuen Konsensempfehlungen bleibt die Gabe von Kontrastmittel unabdingbar für die Darstellung der zeitlichen Dissemination in der Primärdiagnostik sowie für die Ausschlussdiagnostik. Dafür sind keine Zwei- oder gar Dreifachdosen notwendig.

„Achten Sie beim diagnostischen Follow Up darauf, das Zeitintervall zwischen Kontrastmittelgabe und T1-gewichteter Bildgebung immer gleich zu wählen“, sagte Wiestler. „Es sollten mindestens fünf Minuten nach Kontrastmittelgabe vergehen, idealerweise sogar zehn.“

Vielleicht überraschend: Eine 1,5T-MRT ist bei guter Bildqualität, adäquatem Signal-Rausch-Verhältnis und einer räumlichen Auflösung ≤1 mm × 1 mm ausreichend. Eine 3T-MRT führt nicht zu einer früheren Diagnose, wird jedoch weiterhin empfohlen.

Rückenmarks-Bildgebung

Die Wertigkeit spinaler MRT-Befunde ist sehr hoch; die Mehrheit aller MS-PatientInnen hat Läsionen im Bereich des Halsmarks.

„Unerlässlich für die Primärdiagnostik bleibt der sagittale Doppelkontrast“, so Wiestler. Empfohlene Sequenzen sind:

  • T2-gewichtete TSE oder FSE mit moderaten Echozeiten und protonengewichtete TSE oder FSE, oder STIR
  • T1-gewichtete TSE oder FSE nach Kontrastmittelgabe

Die Konsensempfehlungen sehen keine ausreichende Evidenz für wiederholte Rückenmarks-MRT-Untersuchungen in der Diagnostik; hier ist die Gehirn-Bildgebung aussagekräftiger.

Axiale Sequenzen sind optional, ob mit oder ohne Kontrastmittelgabe. Sie dienen dazu, die Lokalisierung und Charakterisierung einer Läsion zu bestätigen, sowie kleine und randlokalisierte Läsionen zu detektieren, die die sagittale Bildgebung nicht abbildet.

Eine 1,5T-MRT ist hier definitiv ausreichend; es gibt keine Evidenz für einen Mehrwert der 3T-MRT.

Optionale MR-Sequenzen und DWI

3D T1-gewichtete Sequenzen

Stark gewichtete T1-Sequenzen wie PSIR (Phase-sensitive Inversion Recovery) können die Detektion kortikaler MS-Läsionen verbessern. Die McDonald-Kriterien von 2017 empfehlen diese Sequenzen zur Beurteilung der räumlichen und zeitlichen Dissemination. Die neuen Konsensusempfehlungen raten jedoch nur in entsprechend spezialisierten Zentren zur Anwendung, da die Inter-BefunderInnen-Variabilität sehr hoch ist.

T2*-gewichtete Sequenz oder Suszeptibilitäts-gewichtete Bildgebung (SWI)

Diese Sequenz wird zusammen mit einem 3T-Gerät und FLAIR-Sequenz empfohlen. Sie detektiert das charakteristische zentrale Venenzeichen, einen anerkannten diagnostischen Marker für MS. Die Konsensusempfehlungen sehen jedoch keine ausreichende Evidenz für einen routinemäßigen Einsatz dieser Sequenz.

DWI – diffusionsgewichtete Bildgebung

Sicher ist, dass die DWI die kontrastverstärkte Bildgebung nicht ersetzen kann. Die Konsensensuempfehlungen sehen eine geringe Wertigkeit in der DWI. „Wir machen die DWI trotzdem, weil es schnell geht und unter Umständen zusätzliche Daten liefern kann“, so Wiestler.

2D oder 3D kontrastverstärkte T1-gewichtete Sequenz

Für die Primär- und Ausschlussdiagnostik wird eine Kontrastmittelgabe empfohlen. Ob diese im Follow Up auch notwendig ist, wird in der Literatur diskutiert. Eine Veröffentlichung beschreibt eine ausreichende Genauigkeit der unverstärkten 3T-MRT bei der Detektion neuer Läsionen (Eichinger et al. 2022). In den Leitlinien bleibt die kontrastverstärkte MRT zur Primärdiagnose und im Follow Up – wenn auch nicht grundsätzlich – empfohlen.

Referenzen

Wattjes MP et al.
2021 MAGNIMS-CMSC-NAIMS consensus recommendations on the use of MRI in patients with multiple sclerosis.
Lancet Neurol. 2021;20(8):653-670.

Eichinger P, Schön S, Pongratz V, et al.
Accuracy of Unenhanced MRI in the Detection of New Brain Lesions in Multiple Sclerosis.
Radiology. 2019;291(2):429-435.

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