RöKo Digital 2023 – KI im Brustkrebs-Screening: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

RöKo Digital 2023 – KI im Brustkrebs-Screening: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Internationale Studien zeigen, dass KI das Brustkrebs-Screening verbessern und beschleunigen kann.

  • Präsentationstag:
    13.04.2023 1 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Lale Umutlu, Essen
  • Quelle:
    RöKo Digital 2023

In Deutschland, wie auch den meisten EU-Ländern, erfolgt das Mammographie-Screening mittels Doppelbefundung. Prinzipiell kann ein KI-Algorithmus in einem solchen Zusammenhang zweierlei leisten:

  • KI könnte einen von zwei Befunder:innen ersetzen („Stand-Alone-Pathway“).
  • KI kann aber auch die Befundung beschleunigen und optimieren („Decision Referral Pathway“), indem sie die Untersuchungsfälle klassifiziert (Triagierung), ohne jedoch einen Befunder zu ersetzen.

Stand-Alone-Pathway – KI zur Zweitbefundung

Das Potenzial eines „Stand-Alone-Pathways“ – also das Ersetzen eines Befunders oder einer Befunderin durch eine KI – haben McKinney et al. retrospektiv untersucht (Nature 2020). Sie verglichen ihren KI Algorithmus mit Screening-Befunden aus den USA und Großbritannien. Zusätzlich testeten sie die Generalisierbarkeit des Algorithmus auf unterschiedliche Screening-Kohorten aus Großbritannien und den USA.

Die Hinzunahme der KI reduzierte die falsch-positiven Befunden um 5,7 % (USA, Einzelbefundung) bzw. 1,2 % (Großbritannien, Doppelbefundung). Die falsch-negativen Befunde reduzierte die KI um 9,4% (US) bzw. 2,7% (Großbritannien).

McKinney et al. konnten auch zeigen, dass sich das KI-System von Großbritannien auf Kohorten aus den USA verallgemeinern ließ. Oder anders gesagt: dass es auch mit Daten aus einer anderen Kohorte zuverlässige Befunde liefern konnte.

„Die solide Bewertung durch das KI-System ebnet den Weg für klinische Studien, um die Genauigkeit und Effizienz der Brustkrebs-Früherkennung zu verbessern“, resümieren die Autor:innen.

Decision Referral Pathway – KI zur Triagierung

Einen „Decision Referral Pathway“, hier eine Triagierung, untersuchten Christian Leibig et al. (Lancet Digit Health 2022) anhand von Daten aus acht deutschen Screeningzentren. Der dort verwendete Algorithmus quantifiziert die Unsicherheit Brustkrebs ja/nein nach drei Klassen:

  • Normalbefund sicher
  • Normalbefund unsicher
  • Krebsbefund sicher

Die Untersuchungen mit der Klassifizierung „Normalbefund unsicher“ und „Krebsbefund sicher“ wurden an eine/n Radiolog:in weitergeleitet zur weiteren Befundung. Dabei liefert das System keinerlei Hinweis zur KI-ermittelten Karzinomwahrscheinlichkeit.

In einem späteren Schritt im Entscheidungsbaum gibt die KI einen Warnhinweis mit markierter Läsion, wenn der/die Radiolog:in eine Untersuchung als Normalbefund klassifiziert hatte, die die KI als Brustkrebs ansah.

Zusätzlich wurde das Potenzial der KI auch in einem Stand Alone Pathway analysiert.

Ergebnisse interner Daten

Untersuchungen aus sechs internen Zentren lieferten 1.670 positive und 19.997 negative Befunde.

Befundungsmethode

Sensitivität

Spezifität

Radiolog:in

85,7%

93,4%

KI Stand Alone Pathway

84,2%

89,5%

KI Decision Referral Pathway

89,7%

93,8%

 

Ergebnisse externer Daten

Untersuchungen aus zwei externen Zentren lieferten 2.793 positive und 80.058 negative Befunde.

Befundungsmethode

Sensitivität

Spezifität

Radiolog:in

87,2%

93,4%

KI Stand Alone Pathway

84,6%

91,3%

KI Decision Referral Pathway

89,8%

94,3%

Im Decision Referral Pathway verbesserte die KI durchweg die Sensitivität. Das galt für alle beteiligten Screening-Einheiten, alle Scannerhersteller, alle Brustdichte-Klassen und Läsionsgrößen.

Einschränkend erwähnte Umutlu, dass in dieser Studie ausschließlich Daten aus Deutschland und ausschließlich 2D-Mammographie eingegangen waren. Daten aus der wichtiger werdenden Digitalen Brust-Tomosynthese (DBT) wurden noch nicht berücksichtigt.

Befundungszeit und Intervallkarzinome – zwei weitere KI-Studien

Suzanne van Winkel et al. untersuchten den Einfluss einer unterstützenden KI auf die Genauigkeit und die Befundungszeit von DBT-Bildern (Eur Radiol 2021). Ihr Ergebnis: Ihre KI machte die Befundung schneller und erhöhte Sensitivität und Spezifität.

Wie sich eine KI auf die Häufigkeit von Intervallkarzinomen auswirkt, untersuchten Danalyn Byng et al. (Eur J Radiol 2022). Intervallkarzinome sind solche, die trotz der hohen Screening-Standards übersehen wurden. Ihr Ergebnis: Wäre im Screening unterstützend die KI hinzugezogen worden, hätten 21% der Intervallkarzinome schon im Screening erkannt werden können. 9,5% der retrospektiv abgrenzbaren Fälle waren zum Zeitpunkt der Detektion bereits fortgeschritten bzw. metastasiert.

Daten für weitere Forschung

Einen Bestand von nahezu 3,4 Millionen Datensätzen mit sehr heterogener Population und unter Einbeziehung auch der DBT präsentierten kürzlich Jiwoong Jeong et al. (Radiol Artif Intell. 2023). Zwanzig Prozent der Datensätze werden über das Amazon Web Services Open Data Program für die Forschung frei zugänglich gemacht.

Ausblick – EU-Kommission noch nicht überzeugt

Die Einführung in den klinischen Alltag dürfte noch einige Jahre auf sich warten lassen, weil die EU-Kommission der KI-Anwendung im Brustkrebs-Screening noch nicht zugestimmt hat, so Umutlu. Um diesen Prozess voranzutreiben, forderte Umutlu die Radiolog:innen dazu auf, international zusammenzuarbeiten und dabei die nationalen Arbeitsgruppen einzubeziehen.

Referenzen

Byng D et al. AI-based prevention of interval cancers in a national mammography screening program. Eur J Radiol. 2022 Jul;152:110321.

Jeong JJ et al. The EMory BrEast imaging Dataset (EMBED): A Racially Diverse, Granular Dataset of 3.4 Million Screening and Diagnostic Mammographic Images. Radiol Artif Intell 2023;5(1):e220047.

Leibig C et al. Combining the strengths of radiologists and AI for breast cancer screening: a retrospective analysis. Lancet Digit Health 2022;4(7):e507-e519.

McKinney SM et al. International evaluation of an AI system for breast cancer screening. Nature 2020;577:89–94

van Winkel SL et al. Impact of artificial intelligence support on accuracy and reading time in breast tomosynthesis image interpretation: a multi-reader multi-case study. Eur Radiol 2021;31(11):8682-8691.

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