Differentialdiagnostik Rückenmarksödem

Differentialdiagnostik Rückenmarksödem

Differentialdiagnostisch spielen beim Ödem des Rückenmarks neurodegenerative, entzündliche, vaskuläre und onkologische Ätiologien eine Rolle. Die Kenntnis der Anamnese ist unverzichtbar. Hartmut Brückmann vom Klinikum Großhadern stellte die Differentialdiagnosen bei Rückenmarksödem dar.

  • Datum:
    10.02.2017 1 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Hartmut Brückmann, Klinikum Großhadern, LMU München
  • Quelle:
    Internationales MRI Symposium 2017

Bilder eines langstreckigen Ödems des dorsalen Rückenmarks in Verbindung mit der klinische Information „Z.n. Gastrektomie“ führten zur Diagnose einer funikulären Myelose. Bedingt durch Vitamin B12-Mangel, zeigt sie klinisch progrediente spinale Symptome wie etwa gestörtes Lageempfinden oder spastische Paresen. Im MRT präsentiert sie sich mit T2-Signalanhebung der Hinterstränge über mehrere Segmente.

„Wir brauchen beim Rückenmarksödem die Klinik, um richtig zu befunden“, betonte Brückmann.

Auch bei der HIV-Myelitis kann ein ähnliches Bild auftreten. Sie ist bedingt durch den direkten Befall durch HI-Viren, ist aber typisch lateral lokalisiert. Wichtig für die Bildgebung sei es, immer die Länge und Ausdehnung des Ödems zu erfassen, sagte Brückmann.

Die Myelitis transversa gilt als Sammelbegriff für ein akutes Querschnittssyndrom entzündlicher Genese. Im MRT ist jedes zweite von ihnen initial unauffällig. Typisch ist ein spinales Ödem, das mehr als zwei Drittel des Rückenmarksquerschnitts betrifft und sich über mindestens zwei Wirbelkörperhöhen ausdehnt.

Ursachen einer Myelitis transversa

Die möglichen Ursachen einer Myelitis transversa sind vielfältig:

  • Multiple Sklerose (Ödem eher kurzstreckig)
  • Neuromyelitis optica (eher langstreckig)
  • Akute disseminierte Enzephalomyelitis, ADEM (eher langstreckig)
  • Tumor
  • Infarkt
  • Spezifische Infektionen

Wichtig für die Diagnostik seien hier die Hinzunahme der diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI) und des klinischen Verlaufs sowie ein zusätzliche MRT des Gehirns.

Zwei Drittel der Rückenmarksödeme bei Multipler Sklerose sind dorsolateral lokalisiert und exzentrisch. Mit einer Ausdehnung über weniger als zwei Wirbelkörperhöhen sind sie meist kurzstreckig. In der Akutphase nehmen MS-bedingte Rückenmarksödeme Kontrastmittel auf. 90 Prozent der Patienten haben auch zerebrale Läsionen. Brückmann wies auf die McDonald-Kriterien für die MS-Diagnostik hin, bei denen die räumliche und zeitliche Verteilung der Läsionen eine zentrale Rolle spielen.

„Längerstreckige Myelonödeme sind zwar selten, aber möglich“, sagte Brückmann mit Hinweis darauf, dass die MS so häufig sei, dass auch seltenere Formen regelmäßig aufträten.

Die Neuromyelitis optica beginne mit einer Neuritis des N. optici. Der spinale Befall manifestiert sich erst Wochen oder Monate später, nach einem freien Intervall. Nachdem zunächst weder zerebrale noch Rückenmarksläsionen erkennbar sind, finden sich später bei 60 Prozent der Patienten ZNS-Läsionen. Betroffen sind häufig Kinder und Jugendliche, das Ödem dehnt sich über drei bis neun Etagen aus. „Ganz wichtig für die Diagnostik der Neuromyelitis optica ist der Nachweis des Anti-Aquaporin-4-Antikörpers“, betonte Brückmann (AQP4).

Die frühere Annahme, dass bei einem Befall über mehr als drei Wirbelkörperhöhen von einer Neuromyelitis optica auszugehen sei, stimme nicht mehr, sagte Brückmann: Nach einer neueren Untersuchung von Flanagan et al. (JAMA Neurol 2015;72(1):81–87) treten im Spektrum der AQP4-positiven Neuromyelitis optica auch kurzstreckige Läsionen über nur eine oder zwei Etagen auf.

Die mit Paresen und Reflexstörungen einhergehende Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) betrifft etwa doppelt so häufig Kinder wie Erwachsene. Die typischerweise monophasische Erkrankung geht praktisch immer mit zerebralen Läsionen einher, das Rückenmark ist in etwa 30 Prozent der Fälle betroffen. Dort zeigen sich multifokale Läsionen, die alle gleichermaßen Kontrastmittel anreichern.

Die häufigste unter den entzündlichen granulomatösen Erkrankungen des Rückenmarks ist die Neurosarkoidose. Im Rückenmark zeigt sich oft ein pialer meningealer Befall, aber auch ein intramedullärer Befall ist möglich, der aussehen kann wie ein Tumor. Die Läsionen reichen stark Kontrastmittel an.

Vaskulär bedingte Rückenmarksödeme

Durch akute spinale Ischämie bedingte Infarkte des Rückenmarks sind selten und treten meist jenseits des 50. Lebensjahres auf. Ursächlich sind oft Arteriosklerose, Aortendissektion oder kardiale Embolie. Die Infarkte betreffen das obere thorakale oder das thorakolumbale Rückenmark.

Die Patienten mit Rückenmarksinfarkt haben zu Beginn meist radikuläre Schmerzen und entwickeln innerhalb von Stunden Paresen, Sensibilitätsstörungen und Blasen-/Mastdarmlähmung. Eine T2-Signalanhebung zeigt sich frühestens nach vier Stunden, mit zunehmender Zeit wird sie immer häufiger. Nach frühestens fünf Tagen reichert die Läsion Kontrastmittel an, ein Maximum der Anreicherung zeigt sich nach einer bis drei Wochen.

Nahezu jeder dritte Patient hat ein positives Caudazeichen nach frühestens fünf Tagen, und 28 Prozent der Patienten entwickeln einen Wirbelkörperinfarkt, der sich frühestens nach acht Stunden zeigt.

Spinale durale AV-Fisteln zeigen sich mit stark erweiterten, elongierten und vermehrt geschlängelten dorsalen Oberflächenvenen. Klinisch führen sie zu einem chronisch progredienten Querschnittssyndrom. Häufig wird die Diagnose lange verkannt. Im MRT zeigt sich das Ödem meist thorakal zwischen Th 8 und Th 12. „Wir können heute mittels kontrastverstärkter MR-Angiographie die Höhe der Fistel genau eingrenzen“, so Brückmann. Unverzichtbar sei hier aber eine spinale Digitale Subtraktionsangiographie (DAS), die am besten an einem entsprechenden Zentrum durchgeführt werden sollte.

Intramedulläre Tumoren

Die häufigsten intramedullären Tumoren sind das Ependymom mit 55%, das Astrozytom mit 40% und das Hämangioblastom mit 4%. Der klinische Verlauf beginnt langsam, alle intramedullären Tumoren reichern immer Kontrastmittel an. Rund um die kontrastanreichernde Läsion zeigt sich ein starkes perifokales Ödem. Flow-Voids im Tumor sind Zeichen für ein Hämangioblastom.

Das Astrozytom ist eher exzentrisch lokalisiert und in 30% zystisch. Es kann das gesamte Rückenmark befallen. Bei T1-Wichtung zeigen sich die Astrozytome hypo- bis isointens, bei T2-Wichtung hyperintens. Im soliden Anteil reichen sie Kontrastmittel an. „Um den Tumor zu charakterisieren, ist daher Kontrastmittel wichtig“, sagte Brückmann.

Das Ependymom ist bei Erwachsenen häufiger als bei Kindern und betrifft in der Regel wenige Segmente, meist thorakal oder im Conus medullaris. Die Hälfte der Tumoren zeigen sich mit zystischen Anteilen. Einblutungen in den Tumor sind möglich. Bei T1-Wichtung erscheinen Ependymom fast isointens mit dem Liquor, bei T2-Wichtung hyperintens mit etwas geringerem Signal als der Liquor. Im soliden Anteil reichen auch sie Kontrastmittel an.

„Ohne Anamnese geht in der Differentialdiagnostik des Rückenmarksödems gar nichts“, betonte Brückmann abschließend.

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