Cochrane: Kaum gute Studien zum Infektionsschutz am Arbeitsplatz

Cochrane: Kaum gute Studien zum Infektionsschutz am Arbeitsplatz

Viele unterschiedliche Maßnahmen sollten in der CoViD-19-Pandemie das Infektionsrisiko reduzieren. Eine Cochrane-Suche erbrachte nur eine einzige Studie, die den methodischen Mindestanforderungen entsprach.

  • Datum:
    02.06.2022
  • Autor:
    G. Rüschemeyer (mh/ktg)
  • Quelle:
    Cochrane Deutschland

Der Cochrane Review 'Workplace interventions to reduce the risk of SARS‐CoV‐2 infection outside of healthcare settings' zeigt, dass zum Stichtag der Studiensuche im September 2021 praktisch keine belastbare Evidenz für eine ganze Reihe von weit verbreiteten nicht-pharmakologischen Maßnahmen für den Infektionsschutz am Arbeitsplatz vorlag. Dabei handelt es sich um eine ganze Reihe verschiedener Ansätze, die zum Teil längst zum Alltag gehören wie zum Beispiel

  • verschiedene Quarantäne-Regeln für Verdachtsfälle
  • mechanische Barrieren gegen die Ausbreitung von Aerosolen (z. B. Plexiglasscheiben)
  • Luftfilter

Versagen der internationalen Forschungsgemeinschaft beklagt

„Die Ergebnisse des Reviews zeigen erneut, dass es in zwei Jahren Pandemie nicht gelungen ist, die in vielen Ländern eingesetzten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung auf Ebene der öffentlichen Gesundheit durch methodisch gut gemachte Studien auf eine sichere Evidenzbasis zu stellen“, sagt Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland. „Dies ist sehr ernüchternd und stellt ein Versagen der internationalen Forschungsgemeinschaft auf diesem wichtigen Gebiet dar. Wir müssen die Gründe hierfür sorgfältig analysieren, um für künftige Gesundheitsnotlagen besser aufgestellt zu sein.“

Wenn schon kein RCT, dann wenigstens mit Kontrollgruppe

Im Bereich Public Health sind aussagekräftige Studien häufig aufwändig und methodisch komplex. Aus diesem Grund habe man sich auch nicht auf das sonst für viele Cochrane Reviews obligatorische Studiendesign der randomisierten kontrollierten Studie (RCT) beschränkt, sagt Jos Verbeek, Koautor des Reviews. „Wir haben für die Aufnahme einer Studie in den Review lediglich verlangt, dass es eine Kontrollgruppe gab, in der die interessierende Maßnahme nicht angewendet wurde. Wir fanden jedoch hauptsächlich einfache Fallstudien ohne Kontrollgruppe. Bei diesen kann ein Rückgang der Infektionen im Laufe der Zeit ebenso gut auf eine andere Veränderung als auf die interessierende Intervention zurückzuführen sein. Daher waren wir der Meinung, dass eine Kontrollgruppe unbedingt erforderlich ist, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einer Maßnahme ziehen zu können.“

Fehlende Evidenz enttäuschend

Der weitgehende Mangel an kontrollierten Studien bedeute unterm Strich, dass die umfassenden Maßnahmen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 am Arbeitsplatz nicht evaluiert worden seien, so Verbeek. „Das ist sehr enttäuschend, denn es gab durchaus zahlreiche Gelegenheiten, Evidenz zu sammeln.“ Zudem zeige die eine eingeschlossene Studie des Reviews, dass methodisch gute Studien durchaus machbar seien.

Die englische Schulstudie

Die einzige eingeschlossene Studie wurde von März bis Juni 2021 an 162 Schulen in England durchgeführt. An der Studie nahmen mehr als 24 000 Schulmitarbeiter*innen teil. In den 86 Schulen der Kontrollgruppe (normale Regeln für eine Isolierung) mussten sich alle Mitarbeiter*innen, die aufgrund von Kontaktermittlungen als COVID-19-Kontaktpersonen galten, 10 Tage lang zu Hause isolieren. In den 76 Schulen der Interventionsgruppe mussten Kontaktpersonen lediglich eine Woche lang täglich einen Schnelltest (Lateral-Flow-Antigen-Test) machen. Bei negativem Schnelltest konnten sie weiter zur Arbeit gehen. Nur nach einem positiven Schnelltest galt eine Pflicht zur Selbstisolierung (testgestützte Isolierung).

Die Studie sollte klären, ob es einen Unterschied bei den COVID-bedingten Fehlzeiten zwischen den beiden Methoden gibt. Allerdings lassen die Ergebnisse trotz eines methodisch guten Studiendesigns keine klaren Schlüsse zu. Grund dafür ist vor allem die sehr niedrige Zahl von Infektionsfällen im Studienzeitraum. Trotzdem zeigt dieses Beispiel, dass mit Hilfe eines cluster-randomisierten Designs durchaus aussagekräftige Studien zu nicht-pharmakologischen Maßnahmen des infektionsschutzes machbar sind.

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