Röko 2022 – Nicht-obstruktive Koronarien bei Frauen

Röko 2022 – Nicht-obstruktive Koronarien bei Frauen

Die koronare Herzkrankheit (KHK) präsentiert sich bei der Frau anders als beim Mann. Die Daten dazu gibt es schon lange; genauer hingesehen wird aber erst seit einigen Jahren.

  • Präsentationstag:
    26.05.2022 0 Kommentare
  • Autor:
    biho/ktg
  • Sprecher:
    Sandra Eifert, Herzzentrum Leipzig
  • Quelle:
    RöKo 2022

„Geschlechtsspezifische Studien zu Herzerkrankungen gibt es wenige“, sagte Sandra Eifert vom Herzzentrum Leipzig. Warum das so ist, erklärte sie ebenfalls. Zum einen sind Studienteilnehmende überwiegend Männer. Außerdem betreffen zwei weitere Aspekte besonders Frauen: 1. nicht-obstruktive Plaques zählen häufig als Ausschlusskriterium für die Studienteilnahme, und 2. findet kein Langzeit-Follow Up statt.

Gerade bei nicht-obstruktiver KHK und im Follow Up sollte bei Frauen aber genauer hingeschaut werden, denn: Symptomatische Frauen mit Verdacht auf eine Myokardischämie haben eine bis zu 20% höhere Inzidenz einer nicht-obstruktiven KHK als Männer (Barylski M et al. 2011).

In der Women's Ischemia Syndrome Evaluation (WISE)-Studie wiesen die Patientinnen mit nicht-obstruktiver KHK außerdem eine höhere kardiovaskuläre Ereignisrate auf (Merz CN et al. 1999; Sharaf BL et al. 2001). Eifert hob die 1996 gestartete WISE-Studie als richtungsweisend hervor.

Die WISE-Studie

Die prospektive Studie zur Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit bei ischämischer Kardiomyopathie bei Frauen (WISE: Women’s Ischemia Syndrome Evaluation) evaluierte außerdem mögliche Ursachen für die nicht-obstruktive KHK und den Einfluss der Geschlechtshormone auf die Symptomatik.

An der Pilotstudie nahmen mehr als 300 Frauen teil; insgesamt 936 Patientinnen waren bis zur Phase-III Studie und am Follow Up bis zu zehn Jahre beteiligt. Die Patientinnen litten unter Thoraxschmerz und erhielten zu Studienbeginn eine invasive Koronarangiographie. Im Studienverlauf durchliefen sie verschiedene klinische und funktionelle Untersuchungen.

Ergebnisse

Als wichtigste Ergebnisse zeigte die Studie: Frauen haben eine niedrige Prävalenz der Obstruktion. Tatsächlich fiel bei zwei Dritteln der Frauen keine obstruktive Koronarerkrankung auf. Die Patientinnen hatten jedoch eine hohe Prävalenz an Symptomen, kardiovaskulären Ereignissen, Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) und eine erhöhte Mortalität.

Langzeitergebnisse

Nach fünf Jahren waren kardiovaskuläre Ereignisse in der Gruppe symptomatischer Patientinnen mit nicht-obstruktiver KHK signifikant erhöht: 16% hatten kardiovaskuläre Ereignisse erlitten, im Vergleich zu 8% mit normalen Koronarien, und 2,4% asymptomatischen Patientinnen (Gulati M et al. 2009).

Nach zehn Jahren waren fast 13% der Patientinnen mit nicht-obstruktiver KHK verstorben oder hatten einen Myokardinfarkt erlitten (Kenkre TS et al. 2017).

Risikofaktoren

„Typische Risikofaktoren sind bei Frauen fast zehn Jahre später als bei Männern von Relevanz“, so Eifert. Höhere Risikofaktoren für Frauen als für Männer sind Diabetes Mellitus und ein erhöhter Triglyceridwert (Shaw et al. 2006).

Geschlechtsspezifische Risikofaktoren sind Präeklampsie, Gestationsdiabetes, Brustkrebstherapien oder eine Ovulationsdysfunktion.

Wichtige Risikofaktoren sind außerdem koronare vasomotorische Störungen und/oder eine koronare mikrovaskuläre Dysfunktion (Waheed et al. 2020). In der WISE-Studie wiesen fast 50% der postmenopausalen Frauen mit nicht-obstruktiver KHK eine mikrovaskuläre Dysfunktion auf (Reis SE et al. 2001). Die funktionellen und strukturellen Anomalien der Mikrovaskulation sind mit ungünstigen kardialen Ereignissen und Mortalität verbunden. Die Dysfunktion kann mit koronaren Reaktivitätstests und nicht-invasiven bildgebenden Verfahren nachgewiesen werden; sie wird jedoch nach wie vor zu wenig diagnostiziert, so Eifert.

Fazit

Frauen haben eine höhere Prävalenz für eine nicht-obstruktive KHK als Männer.
Es gibt verschiedene Mechanismen für das Zustandekommen einer Ischämie, darunter die mikrovaskuläre Dysfunktion. Bisher existieren keine adäquaten Management-Optionen für diese Patientinnen. Die jüngsten ACC/AHA Leitlinien zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen nahmen erstmalig auch frauenspezifische Risikofaktoren wie die Präeklampsie auf. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, schloss Eifert.

Arnett DK et al. 2019 ACC/AHA Guideline on the Primary Prevention of Cardiovascular Disease: Executive Summary: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines [published correction appears in Circulation. 2019 Sep 10;140(11):e647-e648] [published correction appears in Circulation. 2020 Jan 28;141(4):e59] [published correction appears in Circulation. 2020 Apr 21;141(16):e773].
Circulation. 2019;140(11):e563-e595.

Barylski M et al. Gender differences in the treatment of ischemic heart disease.
Curr Pharm Des. 2011;17(11):1059-1069.

Gulati M et al. Adverse cardiovascular outcomes in women with nonobstructive coronary artery disease: a report from the Women's Ischemia Syndrome Evaluation Study and the St James Women Take Heart Project.
Arch Intern Med. 2009;169(9):843-850.

Kenkre TS et al. Ten-Year Mortality in the WISE Study (Women's Ischemia Syndrome Evaluation).
Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2017;10(12):e003863.

Merz CN et al. The Women's Ischemia Syndrome Evaluation (WISE) study: protocol design, methodology and feasibility report.
J Am Coll Cardiol. 1999;33(6):1453-1461.

Reis SE et al. Coronary microvascular dysfunction is highly prevalent in women with chest pain in the absence of coronary artery disease: results from the NHLBI WISE study. Am Heart J. 2001;141(5):735-741.

Sharaf BL et al. Detailed angiographic analysis of women with suspected ischemic chest pain (pilot phase data from the NHLBI-sponsored Women's Ischemia Syndrome Evaluation [WISE] Study Angiographic Core Laboratory).
Am J Cardiol. 2001;87(8):937-A3
.

Shaw LJ et al. Insights from the NHLBI-Sponsored Women's Ischemia Syndrome Evaluation (WISE) Study: Part I: gender differences in traditional and novel risk factors, symptom evaluation, and gender-optimized diagnostic strategies.
J Am Coll Cardiol. 2006;47(3 Suppl):S4-S20.

Waheed N et al. Sex differences in non-obstructive coronary artery disease.
Cardiovasc Res. 2020;116(4):829-840.

Sie müssen sich einloggen, um Kommentare zu verfassen.

Ihr direkter Draht zu uns