ECR 2024 – Prostata-MRT und künstliche Intelligenz: Pro und Contra
Künstliche Intelligenz erkennt Prostatakrebs teilweise genauso sicher wie Radiolog:innen. Doch wie sieht es mit der Falsch-Positiv-Rate aus? Und reduziert KI wirklich die Arbeitsbelastung?
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Präsentationstag:01.03.2024 0 Kommentare
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Autor:biho/ktg
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Sprecher:Tobias Penzkofer, Berlin; Maarten de Rooij, Nijmegen; Moderation: Anwar Padhani, London
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Quelle:ECR 2024
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Pro und Contra KI in der Prostata-MRT
Zwei Experten beleuchten beim ECR 2024 den Wert von KI in der Prostata-MRT. Tobias Penzkofer, Berlin, sprach sich für den Einsatz von KI in der Prostatakrebs-Bildgebung aus, Maarten de Rooij, Nijmegen, übernahm die Rolle des Kritikers. Interessant: Nach de Rooijs Gegenrede sank das KI-Vertrauen für diese Indikation beim Publikum: Der Pro-KI-Umfragewert rutschte von 75% auf 50%.
„KI ist unverzichtbar“
„Wir werden KI brauchen, um unsere wachsenden Aufgaben zu bewältigen. Dazu wird demnächst wohl auch noch das Prostata-Screening kommen“, so Penzkofer. „Außerdem haben wir zu wenig Personal. Radiologen und MTA sind Mangelware.“
Penzkofer fasst die Vorteile von KI in der Prostata-MRT wie folgt zusammen:
- Höherer Patienten-Durchsatz mit KI-gestützter Untersuchungsplanung
- Schnellere Bildakquisition mit KI-basierter Bildrekonstruktion
- Erleichterte Befundung durch automatisches Segmentieren, PSA-Dichte-Berechnung, Läsionserkennung und Klassifikation
- Strukturierte Befundung mit KI – auch PI-RADS-ready; Export in das KIS/RIS
„Large language models spielen eine entscheidende Rolle beim Verfassen der Befundberichte“, so Penzkofer. „Man kann einen strukturierten Bericht aus einem freien Text generieren und ihn in eine Tabelle umwandeln lassen. Man kann den Bericht in eine andere Sprache übersetzen lassen, ihn in leichte Sprache umschreiben lassen, und man kann die Berichte für Forschungszwecke auswerten. Und die KI macht das alles freiwillig!“
„KI wird überschätzt“
Die KI schneidet bei der Erkennung von Prostatakrebs ähnlich gut oder besser ab als Radiolog:innen, so die Aussage verschiedener Studien. „Diese Studien sind meist retrospektiv und konzentrieren sich nur auf eine begrenzte Studienpopulation. Meistens geht es nur um Eines: Die Erkennung bösartiger Läsionen“, kritisierte de Rooij.
De Rooij untergrub Penzkofers Positivliste weiter:
- KI reduziert die Falsch-Positiv-Rate nicht (Hamm et al. 2023).
- KI kann keine Zufallsbefunde vermerken, beispielsweise Rektumkarzinome bei einer Prostatauntersuchung.
- KI reduziert die durchschnittliche Befundungszeit oder Arbeitsbelastung im radiologischen Alltag nicht signifikant (Wenderott et al. 2024).
- KI führt zu Automation Bias (einer Verzerrung durch übermäßiges Vertrauen in automatisierte Mittel zur Entscheidungsfindung): Radiolog:innen folgen oft vertrauensvoll einer falschen KI-Empfehlung (Sumner et al. 2024).
- Kostenerstattung und rechtliche Aspekte sind unklar.
Die Sache mit der Evidenz
Pro-KI-Sprecher Penzkofer sprach auch den Evidenzlevel von KI-Studien an. „Viele Studien bescheinigen den KI-Tools, genauso gut zu sein wie Radiologen. Große randomisierte Studien fehlen zwar noch, aber wir sollten selbst entscheiden dürfen, ob wir KI einsetzen wollen oder nicht.“
„Die Literatur zeigt einen geringen Evidenzgrad für KI“, so de Rooij. In einer neueren Übersichtsarbeit erreicht nur eins von sechs FDA- und CE-zertifizierten Prostata-AI-Tools das Evidenzlevel IV (von sechs Levels). Das Ergebnis stützt sich auf nur eine Peer-Review Publikation.
- Evidenzlevel IV bestätigt die Auswirkungen auf das Patientenmanagement durch prospektive Studien.
- Evidenzlevel III bescheinigt einen zusätzlichen Nutzen für die Diagnose; es wurde für zwei AI-Tools bestätigt, die durch jeweils zwei Veröffentlichungen belegt sind.
- Ergebnisse zu KI-Effekten auf Patienten-Outcome (Level V) und wirtschaftliche Analysen (Level VI) fehlen (radiology.healthairegister.com).
„Angesichts dieser Daten frage ich mich, wer für die Einführung eines Tools aufkommen soll, das viel kostet, aber weder den Patienten noch dem Gesundheitssystem wirklich nützt“, so de Rooij. „Außerdem: Wer ist verantwortlich, wenn ein Radiologe eine korrekte KI-Empfehlung ablehnt oder einer falschen KI-Empfehlung folgt?“
Diskussion und Schlussfolgerung
KI ist bereits fester Bestandteil der Radiologie. Penzkofer und de Rooij setzen KI in ihrer klinischen Praxis ein und sind sich der Vor- und Nachteile bewusst. Das Publikum war sich jedoch nicht sicher, wie es den neuen Entwicklungen gegenüber steht. Die größten Bedenken betrafen die Falsch-Positiv-Raten und die Haftung.
Der Moderator der Sitzung, Anwar Padhani, London, empfahl dringend, vor dem Kauf einer KI-Lösung nach deren Sensitivität, Spezifität und Falsch-Positiv-Rate auf Läsions- und Patienten-Ebene zu fragen. „Wir müssen lernen, wie weit wir der KI vertrauen können“, sagte er.
Referenzen
Hamm CA et al. Interactive Explainable Deep Learning Model Informs Prostate Cancer Diagnosis at MRI. Radiology. 2023 May;307(4):e222276.
Sumner C et al. Medical Malpractice and Diagnostic Radiology: Challenges and Opportunities. Acad Radiol. 2024 Jan;31(1):233-241.
Radiology Health AI Register. Data retrieved from website in February 2024. radiology.healthairegister.com
Wenderott K et al. Prospective effects of an artificial intelligence-based computer-aided detection system for prostate imaging on routine workflow and radiologists' outcomes. Eur J Radiol. 2024 Jan;170:111252.