neuroRAD 2016 – Neuroonkologie: Wenn Erfolg und Versagen das gleiche Gesicht zeigen

neuroRAD 2016 – Neuroonkologie: Wenn Erfolg und Versagen das gleiche Gesicht zeigen

Moderne Behandlungsmethoden in der Neuroonkologie führen zu Phänomenen wie Pseudoprogression und Pseudoresponse. Den Neuroradiologen lehren sie vor allem eines: Es ist nicht alles so, wie es scheint.

  • Präsentationstag:
    08.10.2016 0 Kommentare
  • Autor:
    Elke Hattingen, Universitätsklinik Bonn
  • Quelle:
    neuroRAD 2016 Köln

„R0-Resektion gibt es nicht“, davon zeigte sich Elke Hattingen, Universitätsklinik Bonn, überzeugt. Insbesondere in der Neuroonkologie sei es eine Ausnahme, dass der Tumor ganz unter der Therapie verschwinde. Was trotz dieser düsteren Aussichten bleibt, ist der Versuch und ein gewisser Optimismus, in der Tumorresektion alles MR-Kontrastmittel anreichernde Gewebe zu entfernen. Denn nur unter dieser Bedingung kann etwa bei einem Glioblastom die Überlebenszeit des Patienten zumindest um ein paar Monate verlängert werden.

Verlaufskontrolle schwierig

Die postoperative Verlaufskontrolle gestaltet sich aus verschiedenen Gründen schwierig, wie Hattingen verdeutlichte. Direkt nach der OP füllt sich das ehemalige Tumorareal mit T1-hyperintensem Methämoglobin, welches jede tumorbedingte Kontrastmittelanreicherung überlagert. Es wird daher empfohlen, die erste MR-Kontrolle frühestens 72 Stunden nach der OP durchzuführen.

Pseudoprogress nicht selten

Doch auch in dieser und den kommenden MR-Untersuchungen sollten Radiologen jegliche Kontrastmittelanreicherung stets kritisch beäugen, da sie nicht zwangsläufig von einem Tumorprogress stammen. Denn die therapeutischen Maßnahmen können das Kontrastverhalten beeinflussen und einen Tumorprogress vortäuschen. Dieses Phänomen des Pseudoprogress sei heutzutage keine Seltenheit, wie Hattingen exemplarisch aufführte: Seit Glioblastome nach dem Stupp-Schema behandelt werden, treten Anzeichen von Pseudoprogress in rund zwanzig Prozent aller Patientenfälle auf. Beim Stupp-Schema handelt es sich um einen kombinierten Therapieansatz, bestehend aus Tumorresektion, gefolgt von Strahlentherapie und Chemotherapie mit Temozolomid. Von der Strahlentherapie ist etwa bekannt, dass sie einen Pseudoprogress hervorrufen kann.

Die Kunst, den Unterschied zu erkennen

Pseudoprogression wurde auch in die RANO-Kriterien aufgenommen, wo sie definiert ist als ein 25-prozentiges Wachstum der kontrastanreichernden Läsion, das innerhalb von zwölf Wochen nach der Bestrahlung auftritt und sich ohne Therapieänderung wieder zurückbildet.

Die Unterscheidung zwischen echtem Tumorprogress und Pseudoprogress fällt selbst Experten nicht leicht. Oft werden, wie Hattingen berichtete, Kontrastmittelanreicherungen mit einem seifenblasenartigen Muster als Zeichen für Pseudoprogress gedeutet. Doch dieses Zeichen sei ihrer Meinung nach nicht präzise: „Ich sehe auch Seifenblasen bei Rezidiven. Ich bin nicht ganz überzeugt.“

Einige wenige Zeichen gibt es allerdings, die eine Unterscheidung erleichtern. KM-Anreicherungen abseits des Primärtumors, aber innerhalb des bestrahlten Areals deuten beispielsweise auf einen strahlungsinduzierten Effekt hin. Zudem tritt Pseudoprogress häufig bei Patienten mit positivem MGMT-Promotor Methylierungsstatus auf – einem Marker, der generell für eine günstigere Prognose steht. „Umso schlimmer, wenn Sie dann die Therapie absetzen“, mahnte Hattingen im Hinblick auf die fatalen Konsequenzen einer Falschinterpretation.

Auch die MR-Perfusion kann Neuroradiologen helfen, mehr Klarheit in dieser Frage zu erlangen, wie eine Studie kürzlich demonstrierte (Blasel S et al. J Neuroimaging 2015). Das relative zerebrale Blutvolumen (rCBV) von Tumorgewebe unterscheidet sich deutlich von jenem in therapieassoziierten Veränderungen. Hohe rCBV-Werte deuten auf Tumorprogress hin, während niedrige Werte eher für einen therapieassoziierten Effekt stehen.

Vorgetäuschter Therapieerfolg

Neben dem Pseudoprogress haben Neuroradiologen in onkologischen Fragen auch mit dem Phänomen der Pseudoresponse zu kämpfen. Dieses tritt vorrangig im Zusammenhang mit einer antiangiogenen Therapie auf. Während der Behandlung mit einem monoklonalen Antikörper wie Bevacizumab kann es kurzfristig zum Schrumpfen der KM-anreichernden Läsion kommen, ohne dass der Tumor tatsächlich kleiner wird. Grund für diesen Effekt ist die Gefäß-abdichtende Wirkung des Therapeutikums.

Wie mit diesen Phänomenen umgehen?

Um im Dickicht all dieser Unsicherheiten keine falschen Entscheidungen zu treffen, müssten Neuroradiologen vorsichtig handeln und keine zu schnellen Schlüsse ziehen, meinte Hattingen. Außerdem riet sie dazu, den Patienten nicht unnötig zu verunsichern, Ruhe zu bewahren und abzuwarten. Die Analyse der Bilder sollte zudem nur unter Kenntnis des Therapiekonzepts erfolgen.

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